Seit dem Jahr 2012 hat sich die Anzahl an durch den Staat systematisch durchsuchten Privatkonten von Bürgern verdoppelt. Dies entspricht einer so hohen Anzahl wie nie zuvor. Insgesamt wurden 142.000 Anfragen durch den Staat versendet. Dies waren doppelt so viel gegenüber dem Jahr 2012. In den ersten drei Monaten im Jahr 2014 wurden bereits etwa 50.000 Konten durch den Staat abgefragt.
Gründe einer Kontoabfragung
Die Gründe für die Durchsuchung von Privatkonten von Bürgern sind vielfältig. Meist geht es jedoch darum, persönliche Daten abzugleichen. Zu den Behörden, die eine Anfrage senden können, gehören in erster Linie die Finanzämter, Gerichtsvollzieher, Jobcenter, Wohngeldstellen, Bafögämter und Sozialhilfebehörden.
Was abgefragt werden darf
Angefragt und abgeglichen werden können generell persönliche Daten wie der Name, das Geburtsdatum, die Anschrift des Kontoinhabers, die Kontonummer, das Datum der Einrichtung des Kontos und etwaige Verfügungsberechtigte. Keine Auskunft darf über den Kontostand und den Kontobewegungen gegeben werden. Jedoch gibt es auch Ausnahmen.
Eine Ausnahme bilden Gerichtsvollzieher. Diese können neben den Stammdaten auch bei der Rentenversicherung, beim Bundeszentralamt für Steuern und beim Kraftfahrt-Bundesamt Daten einholen. Hierzu gehören insbesondere weitere Konten, bestehende Arbeitsverhältnisse und zugelassene Fahrzeuge.
Eine weitere Ausnahme bilden Finanzämter, die im Rahmen eines Verdachts auf Betrug alle Konten seitens der Bank öffnen lassen können und somit Einblick in jegliche Kontobewegungen erhalten.
Ziele der Kontoabfragen
Mit den systematischen Durchkämmen der Konten will der Staat Steuerhinterziehern und Betrügern auf die Spur kommen, die Sozialgelder missbräuchlich erhalten oder eben auch Steuern unrechtmäßig einbehalten. Bei Gerichtsvollziehern dient die Abfrage zumeist zur Erleichterung ihrer Arbeit, insbesondere dann, wenn der Schuldner keine Auskunft über sein Vermögen geben möchte.
Gerichtsvollzieher dürfen seit dem Jahr 2013 Kontodaten und anderweitige Daten dann abfragen, wenn die Schuldsumme mehr als 500 Euro entspricht. Anders bei Behörden. Diese dürfen seit dem Jahr 2005 die Daten der Konten ohne Bedingungen abfragen.
Warum wurden im Jahr 2013 doppelt so viele Konten abgefragt?
Gemäß dem Finanzministerium ist der hohe Anstieg der Kontoabfragen mit der Berechtigung zur Abfrage der Konten durch die Gerichtsvollzieher seit dem Jahr 2013 zu erklären. Wie das Finanzministerium weiter mitteilte, sei es auch ohne die Gerichtsvollzieher zu einer höheren Quote der Kontoabfragen gekommen.
Staat muss Bürger bei einer Kontoabfrage nicht in Kenntnis setzen
Insgesamt gesehen muss der Staat den Bürger nicht über eine bevorstehende oder erfolgte Abfrage seines Kontos benachrichtigen. Jedoch ist der Staat dazu verpflichtet, vor einer unmittelbaren Abfrage den Bürger zu kontaktieren und ihn aufzufordern, die entsprechenden Daten mitzuteilen. Erst wenn dies nicht fruchtet, so ist der Staat befugt, das jeweilige Konto abzufragen. Im Gesetz wurde dies als nicht zum „Ziel geführt hat oder keinen Erfolg verspricht“ bezeichnet. Jedoch wurde nicht verankert oder näher erläutert, was „keinen Erfolg verspricht“ genau bedeutet. Zudem ist der Staat verpflichtet, dem Bürger in Merkblättern und Vordrucken auf die Kontrolle seines Kontos hinzuweisen.
Bürger kann herausfinden, ob Daten von ihm weitergegeben wurden
Jeder Bürger kann beim Bundeszentralamt für Steuern nachfragen, ob seine Daten bereits weitergegeben wurden oder nicht. Eine Nachfrage bei der Bank ist zwecklos, da diese von einer Abfrage nicht in Kenntnis gesetzt wurde. Die Stammdaten der Konten werden nämlich in einem Datenpool gespeichert, auf den die Banken keinen Zugriff haben. Dieser Datenpool wird von staatlicher Seite her verwaltet. Und hier werden auch die entsprechenden Daten abgefragt. Demnach ist das Nachfragen bei der Bank zwecklos. Das Bundeszentralamt für Steuern hingegen ist verpflichtet, Auskunft über eine etwaige Abfrage zu geben. Nach einer Abfrage durch den Staat wird dieser den Bürger nicht in Kenntnis über die Abfrage setzen. Vielmehr wird in einem bestimmten Zusammenhang, beispielsweise im Steuerbescheid, auf eine vorherige Abfrage hingewiesen.
Behörden sind nicht verpflichtet Kontoabfrage zu begründen
Generell gilt, dass Behörden nicht verpflichtet sind, ihre Abfragen zu erklären oder zu begründen. Ob ein Beamter auf ein Nachfragen diesbezüglich reagiert, liegt in seinem Ermessen. Jedoch hat er die Pflicht, die Abfrage ordnungsgemäß schriftlich in der Akte festzuhalten. Abgefragte Konten ohne Vermerk sind unzulässig.
Folgen bei Verdacht auf Betrug
Sollte sich bei einer Abfrage herausstellen, dass die entsprechende Person über weitere Konten, Depots oder sonstigen Einrichtungen verfügt, so kann eine Erklärung gefordert werden. Sollte sich dann herausstellen oder sollte generell ein Verdacht auf Betrug bestehen, so ist das Finanzamt berechtigt, die Banken dazu aufzufordern, das entsprechende Konto zu öffnen und alle Geldbewegungen und verfügbare Geldwerte offenzulegen.
Bürger muss es „sich gefallen lassen“
Generell kann sich ein Bürger vor einer Kontoabfrage nicht schützen. Jeder Bürger, der ein Konto eröffnet, muss automatisch auch mit einer Abfrage durch den Staat rechnen. Wie ein Mitarbeiter der Bundesdatenschutzbeauftragten mitteilte, gehört es zur Normalität, dass Daten von neu eröffneten Konten automatisch im Datenpool landen. „Die Daten werden automatisch eingespeist, sobald sie ein Konto eröffnen. Das müssen Sie sich gefallen lassen“.
Beschwerde ist zur Zeit zwecklos
Über eine Abfrage beschweren können sich Bürger so gut wie gar nicht. Denn es ist gesetzlich verankert, dass Daten von Konten abgefragt werden dürfen. Wie Experten mitteilen, müsse sich erst gesetzlich etwas ändern, bevor eine Beschwerde fruchten kann.
Quelle: focus.de