Gemäß dem jüngsten Grundsatzurteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 13. September 2022 ist der Arbeitgeber nun verpflichtet, die gesamte Arbeitszeit des Beschäftigten systematisch zu erfassen. Mit dem Urteil sollen Schlupflöcher, wie beispielsweise um den Mindestlohn zu unterlaufen, geschlossen werden.
Bisher galt die Dokumentationspflicht von Überstunden und Sonntagsarbeit
Bisher galt in Deutschland nur dann eine Dokumentationspflicht für Arbeitgeber, wenn die Arbeitszeit auch auf den Sonntag ausgedehnt wurde oder bei Überstunden. Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts BAG vom 13. September 2022, das sich auf das sogenannten Stechuhr-Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom Mai 2019 bezieht, sieht nun eine systematische Dokumentationspflicht von den gesamten Arbeitszeiten durch den Arbeitgebern vor. Damit sollen Schlupflöcher, etwa wie das Unterlaufen des Mindestlohns, geschlossen werden.
Die stellvertretende ver.di-Vorsitzende Andrea Kocsis erklärt diesbezüglich:
„Wir begrüßen, dass das Bundesarbeitsgericht die EU-Rechtsprechung zur Frage der Arbeitszeiterfassung konsequent in Deutschland anwendet. Das Bundesarbeitsgericht stellt damit im Vorgriff auf die überfällige gesetzliche Regelung klar, dass die Arbeitszeit vollständig erfasst werden muss. Damit können Schlupflöcher – etwa um Mindestlöhne zu unterlaufen – endlich geschlossen werden. Zudem wird damit nachweisbar, in welchem Umfang Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer tatsächlich Jahr für Jahr Überstunden leisten."
Die Einhaltung des Arbeitsschutzes ist unverzichtbar
Ohne ein derartiges Zeiterfassungssystem, welches die tägliche Arbeitszeit des Beschäftigten misst, können keine Ruhezeiten und auch keine Überstunden, nicht einmal die genaue Anzahl der geleisteten Arbeitsstunden ermittelt werden. Allerdings ist ein solches System unverzichtbar, um den Arbeitsschutz einhalten zu können. Ohne die Messung der Arbeitszeit ist es für Beschäftigte obendrein schwierig, ihre Rechte überhaupt durchsetzen zu können.
Um was ging es beim EuGH-Urteil 2019?
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) fällte im Mai 2019 ein Urteil, das Arbeitgeber verpflichtete, die komplette Arbeitszeit ihrer Beschäftigten systematisch zu erfassen. Bisher hatte die Bundesregierung das Urteil noch nicht in deutsches Recht umgesetzt. Hintergrund des EuGH-Urteils war eine Klage der spanischen Gewerkschaft CCOO, die die Deutsche Bank SAE beklagte, bei ihr fehle ein betriebsinternes System zur Erfassung der täglichen Arbeitszeit des Beschäftigten. Ohne ein solches Erfassungssystem könne man die Arbeitszeit nicht überprüfen. In Deutschland bestehe bisher nur die Dokumentationspflicht von Überstunden und Sonntagsarbeit durch den Arbeitgeber.
Durch das nun im September 2022 gefällte Urteil des BAG wurde die Debatte um die Änderung des deutschen Arbeitszeitgesetzes beschleunigt. Aktuell arbeitet die Bundesregierung an die Umsetzung der EuGH-Vorgaben aus dem Jahr 2019, sprich also an der Einführung einer systematischen Arbeitszeiterfassung.