Im ersten Halbjahr 2014 gab es 50 Prozent mehr Kirchenaustritte, als es vergleichsweise im Jahr 2013 der Fall gewesen war. Anlass für die vermehrten Kirchenaustritte ist die künftige Anrechnung der Kirchensteuer auf Kapitalerträge. Ab 2015 sollen auch auf Kapitalerträge Kirchensteuern anfallen.

Massive Welle von Kirchenaustritten in den Bundesländern

Wie Landeskirchen und Bistümer mitteilen, sind in Bayern im ersten Halbjahr 2014 etwa 14.800 Gläubige aus der Kirche ausgetreten. Im Vergleich zum Jahr 2013 sind es 5.000 Austritte mehr. In Baden-Württemberg wurden durch die evangelische Landeskirche von Januar bis März 5.500 Kirchenaustritte verzeichnet. Dies entspricht rund 2.000 Austritte mehr als es in den Vergleichsmonaten 2013 der Fall war. In der Hauptstadt Berlin wurden etwa 10.000 Kirchenaustritte im ersten Halbjahr 2014 gemeldet. Diese Zahl wurde noch nicht einmal im kompletten Jahr 2011 oder 2012 erreicht. Das Gleiche gilt auch für katholische Kirchen.

Bisher war es nicht Zwang sich als Kirchenmitglied bei der Bank zu melden

Bisher konnten Kirchenmitglieder ihre Bank informieren, dass sie als Mitglied in der Kirche gemeldet sind. Die Bank hat dann die entsprechenden Beiträge abgeführt. Somit konnte bisher jedes Mitglied selbst entscheiden, ob dieses auf seine Kapitalerträge Kirchensteuer zahlt oder nicht. Ab dem Jahr 2015 soll sich dies ändern. Dann werden die Kreditbanken auch ohne Mitteilung vom Kirchenmitglied die Kirchensteuer, die auf die Kapitalerträge anfällt, automatisch einziehen. Es sei denn, es wurde ein Sperrvermerk beantragt.

Kirchensteuer ist für viele Mitglieder zu hoch

Viele Kirchenmitglieder sind von ihren Banken darauf hingewiesen worden, dass die Kirchensteuer ab Januar 2015 auch auf Kapitalerträge gezahlt werden muss. Vielen Mitgliedern sind die 8 oder 9 Prozent Kirchensteuer jedoch zu viel. Sie treten demzufolge aus der Kirche aus. Anders als sonst sind dieses Mal neben den jüngeren Mitgliedern auch viele ältere Kirchenmitglieder über 65 Jahren unter den Austretern. Sie fürchten um ihr Erspartes, nehmen dafür aber in Kauf, dass ihnen eine kirchliche Beerdigung verwehrt bleibt.  Dies ist - so sehen es zumindest die Experten - ein neues Phänomen, was es vorher noch nicht gab.

Kirchen geben Banken Mitschuld

Für die Kirchen ist klar, dass die Briefe der Banken bei den Kirchenmitgliedern zur Verwirrung geführt haben müssen. Die Briefe sollten die Mitglieder aufklären, stattdessen treten nun viele aus der Kirche aus. Wie Oberkirchenrat Bernd Baucks, der Finanzchef der rheinischen Landeskirche, mitteilte, waren die Briefe der Kreditbanken von unterschiedlicher Qualität geprägt: „Die Qualität der Hinweise der Banken war sehr unterschiedlich – bis dahin, dass Menschen dahingehend von ihrer Bank beraten wurden, dass sie der ,neuen’ Steuer am besten durch Austritt aus der Kirche begegnen können“, wie er mitteilte.

Banken setzen nur um, was beschlossen wurde

Die Banken teilten daraufhin mit, dass sie nichts mit den vermehrten Austritten zu tun haben, da sie lediglich das umsetzen, was die Kirchen mit dem Bundesfinanzministerium beschlossen haben. Dass sich dies auf die Mitgliederanzahl negativ auswirken könne, soll den Kirchen vorab vom Finanzministerium mitgeteilt worden sein.

Quelle: tagesspiegel.de