Das Tragen eines Kopftuches aus religiösen Gründen am Arbeitsplatz wird immer noch kontrovers diskutiert. Nach der jüngsten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, darf eine Rechtsreferendarin am Arbeitsplatz kein Kopftuch tragen. Doch ist es muslimischen Frauen stets untersagt, ein Kopftuch am Arbeitsplatz zu tragen oder gibt es Ausnahmen? Wir möchten hier die wichtigsten Fragen beantworten.
Ist es erlaubt, dass ein Arbeitgeber das Kopftuch in seinem Unternehmen verbietet?
Grundsätzlich darf der Arbeitgeber das Tragen eines Kopftuches aus Glaubenszugehörigkeit nicht verbieten, da dies ein Verstoß gegen die Grundrechte des Art. 4 Abs. 1 und 2 Grundgesetz (GG) darstellt. Allerdings darf er gegenüber seinen Beschäftigten ein Weisungsrecht ausüben und festlegen, welche Kleidung für das Unternehmen angemessen ist. Um das Tragen eines religiösen Kleidungsstücks zu verbieten, müssen zwingende und „objektiv rechtfertigende“ Gründe vorliegen.
Gemäß dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) darf der Arbeitgeber das Tragen eines Kopftuchs dann verbieten, wenn dadurch eine gewisse politische und weltanschauliche Neutralität gegenüber dem Kunden gewahrt werden soll (EuGH Urteil vom 14. März 2017 – C-188/15- Rn. 33).
Im Unternehmen gibt es keine Regel, die besagt, dass ein religiöses Kopftuch verboten ist. Darf der Arbeitgeber dennoch das Tragen verbieten?
Nein, das darf er nicht. Er darf es wirklich nur dann verbieten, wenn eine dementsprechende Regelung im Unternehmen existiert, die das Tragen von religiösen Symbolen strikt verbietet. Sollte der Arbeitgeber dennoch das Kopftuch verbieten, so verstößt er gegen den Allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz (AGG). Sollte er sogar eine Abmahnung oder Kündigung in Erwägung ziehen, so sind diese laut AGG nicht wirksam.
Kann ein Kopftuch im Backoffice getragen werden?
Im Backoffice ohne Kundenkontakt kann rechtlich gesehen ein Kopftuch getragen werden, da kein „objektiv rechtfertigender Grund“ des Arbeitgebers vorliegt. Dieser kann nur vorliegen, wenn der Arbeitnehmer in den Kundenkontakt tritt. Demnach kann hier das Tragen eines Kopftuches nicht verboten werden.
Kann der Arbeitgeber auch das Tragen von Kreuzen verbieten?
Grundsätzlich kann er das, wenn er Neutralität gegenüber dem Kunden bewahren will. Er darf allerdings nicht das Tragen von Kreuzen zulassen und ein Kopftuch verbieten, da diese Symbole beide religiöse Symbole sind.
Können alle Arten von Kopftüchern und religiöser Kleidung verboten werden?
Es dürfen alle religiöse Symbole und Kleidungsstücke verboten werden, wenn das Neutralitätsgesetz nicht gewahrt werden kann.
Dazu zählen insbesondere:
- Abaya (Überkleid)
- Fes (Kopfbedeckung)
- Zizit (Schaufaden)
- Burkini (Badebekleidung für Frauen)
- Burka (Schleier, der den Körper vollständig bedeckt)
- Hidschāb (Kopftuch)
- Tschador (dunkler Tuch, was zur Verschleierung dient)
- Pardösü (Kopftuch)
- Tallit (Gebetsmantel)
- Niqab (Gesichtsschleier)
- Sikke (Kopfbedeckung)
- Parda (Schleier)
- Dastar (Turban der Sikhs)
- Pilgerhut (Kopfbedeckung)
- Kreuze und andere religiöse Symbole
Ist eine Kündigung gerechtfertigt, wenn eine Arbeitnehmerin weiterhin trotz eines Kopftuchverbots ihr Kopftuch trägt?
Eine Kündigung ist nur möglich, wenn der Arbeitnehmerin kein anderer Arbeitsplatz ohne Kundenkontakt zugewiesen kann. Die Weigerung der Arbeitnehmerin, das Kopftuchverbot zu akzeptieren, stellt ein Verstoß gegen arbeitsrechtliche Weisungspflichten dar. Demnach ist eine Kündigung möglich.
Ist im öffentlichen Dienst generell das Tragen eines Kopftuches verboten?
Generell ist das Tragen eines Kopftuches nicht verboten, allerdings gelten im öffentlichen Dienst strengere Regelungen bezüglich des Kopftuches. Da Deutschland ein neutraler Staat bezüglich der Weltanschauung und der Religion ist, müssen auch Beamte und Angestellte im öffentlichen Dienst diese Neutralität bewahren. Allerdings stellt ein Verbot des Tragens des Kopftuches auch gleichzeitig ein Verstoß gegen das Grundgesetz dar, wie das Bundesverfassungsgericht entschied (BVerfG Beschluss vom 27. Januar 2015- 1 BvR 471/10). In der jüngsten Entscheidung des BVerfG wurde einer Rechtsreferendarin hingegen verboten, ein Kopftuch während richterlicher Verhandlungen zu tragen (BVerfG, Beschluss vom 27. Juni 2017- 2 BvR 1333/17).
Ist ein Kopftuch im Schuldienst verboten? Dürfen Lehrerinnen ein Kopftuch tragen?
Derzeit weichen die Regelungen von Bundesland zu Bundesland ab. In Baden-Württemberg ist das Tragen eines Kopftuches im Unterricht verboten, allerdings entschied das Verwaltungsgericht Stuttgart am 7. Juli 2006, dass eine zum Islam konvertierte Lehrerin ihr Kopftuch im Unterricht tragen darf. Das Land legte Berufung beim VGH Baden-Württemberg am 14. März 2008 ein, welches die ursprüngliche Weisung des Oberschulamtes Stuttgart und die Entscheidung des Stuttgarter Verwaltungsgerichts aufhob. Die Lehrerin verstoße mit dem Tragen des Kopftuches gegen das Schulgesetz. Demnach sei die Weisung des Oberschulamtes Stuttgart rechtmäßig. Der Gleichheitsgrundsatz wurde nicht verletzt, da das Schulgesetz generell religiös motivierte Kleidung oder andere äußere religiöse Symbole verbietet.
In Bayern ist das Tragen des Kopftuches im Schuldienst ebenso verboten. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof entschied am 15. Januar 2007, dass die geltenden bayerischen Gesetze und schulrechtlichen Regelungen verfassungsgemäß sind.
Lehrerinnen in Nordrhein-Westfalen dürfen ebenfalls kein Kopftuch im Unterricht gemäß § 57 Abs. 4 des Schulgesetzes in der 2006 geänderten Fassung tragen.
Bisher haben folgende Länder ein Kopftuch an Schulen verboten:
- Baden-Württemberg
- Bayern
- Berlin
- Bremen
- Hessen
- Niedersachsen
- Nordrhein-Westfalen
- Saarland
Wichtige Urteile
- BVerfG, Beschluss vom 27. 6.2017- 2 BvR 1333
- EuGH Urteil vom 14. März 2017 – C-188/15
- BVerfG, Beschluss vom 27. Januar 2015- 1 BvR 471/10
- BAG Urteil vom 17.01.1989, 1 ABR 100/88
- Arbeitsgericht Berlin, Aktenzeichen 58 Ca 7190/17 und 58 Ca 7193/17