Das künftige Tarifeinheitsgesetz will durchsetzen, dass in Unternehmen und Betrieben der Vertrag vorrangig ist, dessen Gewerkschaft mit dem höchsten Mitgliederzahl im Unternehmen aufwartet. Voraussetzung ist, dass im jeweiligen Betrieb mehrere Tarifverträge für eine Beschäftigtengruppe gelten.
Steht die Koalitionsfreiheit in Frage?
Nach eingehender Prüfung gab der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages jetzt kund, dass dieser Gesetzesentwurf gegen die Verfassung verstößt. Der Verstoß betrifft die Koalitionsfreiheit, die in Art. 9 Abs. 3 Grundgesetz (GG) geschützt wird. Der Entwurf habe zur Folge, dass kleinere Gewerkschaften, wie z.B. die der Lokführer (GDL) beschränkt werden. Überhaupt würden Tarifverträge der zahlenmäßig kleineren Gewerkschaften kaum beachtet werden.
Ziele des Tarifgesetzes begründen keinen Eingriff
Das Grundrecht der Koalitionsfreiheit ist zwar generell diskutabel, jedoch muss ein Eingriff begründet werden. Das Ziel des Tarifgesetzes soll die Sicherung der Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie sein. Das Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages kommt zu dem Schluss, dass das als Begründung nicht ausreichend ist.
Nachdem das Bundesarbeitsgericht im Jahr 2010 das Tarifeinheitsprinzip in Betrieben geändert hat, kam es laut Gutachten zu keiner Ausweitung von Arbeitskämpfen. Auch sei der Betriebsfrieden nicht nachhaltig gestört worden.
Neuer Tarifvertrag als Regel im Kollisionsfall
Reinhard Göhner, der Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbands BDA sieht das Gesetz nicht als einen Eingriff in das Grundrecht. Er würde nur als Regel im Kollisionsfall gelten. Das neue Gesetz wäre nützlich, wenn zwei Gewerkschaften und Tarifverträge für den gleichen Arbeitnehmer zuträfen. Dann müsste geklärt werden, welcher Vertrag gilt.
DGB sieht das Mehrheitsprinzip gestärkt
Da die Tarifeinheit nach wie vor einen sehr hohen Stellenwert für den DGB hat, verteidigt der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes Reiner Hoffmann den Grundsatz »Ein Betrieb, ein Tarifvertrag«. Dieser soll das Mehrheitsprinzip beibehalten und stärken.
Der Gesetzesentwurf an sich stelle keinen direkten Eingriff in das Streikrecht dar. Darüber herrscht Einigkeit unter den acht Gewerkschaften des DGB. Anders sieht es bei den Folgewirkungen aus. Da befürchten die Gewerkschaften ver.di, NGG und GEW einen möglichen Eingriff über die Rechtsprechung.
Das Recht auf einen Arbeitskampf ist in der Bundesrepublik ein Richterrecht. Daran wird das neue Tarifgesetz nicht ändern und auftretende Konflikte müssen daher einzeln betrachtet und gelöst werden.
Der neue Gesetzesentwurf sieht unter anderem vor, dass die Gewerkschaften bei unterschiedlichen Interessen einheitliche Lösungen im Sinne von Tarifgemeinschaften finden sollen. Damit dient die gesetzliche Regelung zur Tarifeinheit als Behelf im Falle, wenn keine Verständigung zwischen konkurrierenden Gewerkschaften erzielt werden kann.
Quelle: dgb.de